Trinkwasserhygiene durch Selbsttest-Kits – ein kostengünstiger Selbstbetrug

Trinkwasser hat im rechtlichen Kontext sauber und für den menschlichen Gebrauch geeignet zu sein. Davon gehen durchschnittliche Konsumenten aus und dürfen sich auf die Vorgaben der Trinkwasserverordnung TWV (BGBI. II Nr.  304/2001 idgF.) sowie anderer Rechtsmaterien berufen. Darin wird gefordert, die Wasserqualität von der Gewinnung über die Verteilerkette bis zum Verbraucher durch periodische Überprüfungen sicher zu stellen. Einzig der Privatbereich bleibt von der Überprüfungspflicht ausgenommen und es wird dem interessierten Wohnungsmieter, -eigentümer oder Einfamilienhausbesitzer überlassen, sich freiwillig um seine Wasserqualität zu bemühen.

Dazu stehen mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen, die Beauftragung eines qualifizierten Trinkwasserhygienetechnikers und akkreditierten Labors für Probenahme und Analyse, alternativ dazu der Gebrauch einfach zu handhabender Selbsttest-Pakete und Befundung der gezogenen Probe durch den Hersteller derselben. Solche Selbsttest-Pakete können praktischer Weise bereits von verschiedenen Anbietern im Online-Handel bezogen werden. Der Vergleich der Methoden spricht allerdings gegen Selbstbeprobung, wie der nachstehend dokumentierte Parallelversuch eindrücklich erwiesen hat.

Beim Versuchsobjekt handelt es sich um ein zweigeschossiges Zweifamilienwohnhaus mit insgesamt rund 330 m2 Wohnnutzfläche zzgl. Kellergeschoß. Das Objekt verfügt über eine im Keller situierte, zentrale Trinkwassererwärmungsanlage in Form eines 200-Liter Boilers (Speichertemperatur 65-70°C) für den Sommerbetrieb. Im Winter kann Trinkwasser durch den Heizkessel mit erwärmt werden. Die langen Stagnationszeiten im selten genutzten Obergeschoß qualifizierten die Entnahmearmatur der dort installierten Küchenspüle als Versuchsobjekt für den Parallelversuch.

Die Trinkwasseruntersuchung erfolgte durch zwei aus dem Online-Handel bezogene Selbsttest-Kits (hier bezeichnet als Kombi-Paket bzw. Komplett-Set) nach Herstelleranweisungen sowie parallel durch normkonforme Probennahme und Laboranalyse. Vorweg der Besprechung der Ergebnisse ist festzuhalten, dass sich beide Hersteller der Selbsttest-Kits der Möglichkeiten und Grenzen der von ihnen bereitgestellten Untersuchungswerkzeuge bewusst sind. Von Seiten beider Hersteller wird schriftlich ausdrücklich darauf verwiesen, dass mit ihren Produkten vorgenommene Analysen keine Untersuchung gemäß Trinkwasserverordnung ersetzen.

Die Proben wurden als Kaltwasserproben nach TWV bei Erreichen der Temperaturkonstanz gezogen: 30 Sekunden nach dem ersten vollen Öffnen des Hahns wurde die Kaltwassertemperatur abgelesen und danach bis zur Temperaturkonstanz ablaufen lassen. Danach erfolgte die Probenahme. Die Kaltwassertemperatur zeigte sich dabei knapp befriedigend unter 20°C. Entsprechend dem betrachteten Temperaturbereich wurden in der Auswertung lediglich Parameter betrachtet, die durch die TWV geregelt werden. Insbesondere eine Verkeimung durch Legionellen war nicht Untersuchungsgegenstand.

Die mittels der Selbsttest-Pakete gewonnenen Proben wurden nach beigepackter Probenahmevorschrift per EMS-Dienst der Post bzw.  einem Kurierdienst innerhalb von 24 h zum Anbieter verbracht, wobei insbesondere zu beachten ist, dass Flüssigkeiten bei dieser Transportart als Gefahrgut klassifiziert werden. Ob die Weiterleitung an das Vertragslabor noch innerhalb dieser Frist stattfinden konnte, ist nicht bekannt.  Es ist dazu anzumerken, dass die Proben entsprechend den Versandmodalitäten der Hersteller allein durch einen EPSBehälter resp.  einen Überkarton vor Außeneinwirkungen geschützt waren.  Temperaturstabilität konnte dadurch bei den zur Zeit herrschenden hochsommerlichen Außentemperaturen von über 30° C jedenfalls nicht gewährleistet werden. Die Parallelproben wurden dagegen normkonform in Kühlboxen inkl. Kühlkartuschen per Spedition zu Übermittlung an das Vertragslabor binnen 24 Stunden versandt.

Entgegen der Ankündigung eines Anbieters wurden die Wasserproben nicht vom angekündigten Labor analysiert, sondern an zwei weitere Labors weitergereicht.  Die chemische Analyse fand bei einem nachweislich akkreditierten Labor statt, die mikrobiologische bei einem Startup-Unternehmen im Nahbereich einer österreichischen Universität, das keine Akkreditierung nachweisen kann. Das zweite Selbsttest-Paket wurde in einem Labor analysiert, dessen Standort und Referenzen nicht ausfindig gemacht werden konnten.

Zum Ergebnis kann angeführt werden, dass der Chemieteil der Auswertungen der Selbsttest-Pakete generell eine gute Übereinstimmung mit den Analysen der fachgerecht entnommenen und transportierten Proben aufwies, dagegen der Mikrobiologieteil regelrecht entgleiste.  Insbesondere bei den Werten für unspezifische Keime KBE 37°C kam es zu einem Überbefund bis zu mehr als dem 27-fachen der normkonform nach TWV analysierten Proben! Coliforme Keime und Pseudomonas aeruginosa konnten in der Untersuchung nach TWV nicht nachgewiesen werden, fanden sich aber in nennenswerten Konzentrationen in einer der Selbsttest-Proben. Selbst Intestinale Enterokokken fanden sich im Selbsttest entgegen der normkonformen Analyse.

Als Ursache dieses Auseinanderklaffen der Analyseergebnisse im Mikrobiologiebereich müssen die Bedingungen während des Probentransports der Selbsttest-Pakete (nicht temperaturstabilisiert, möglicherweise nicht eingehaltene Transportzeit) sowie die fehlende chemische Stabilisierung der Proben mit Natriumthiosulfat angesehen werden. Im Chemieteil zeigten die Untersuchungsergebnisse wie bereits erwähnt nur geringe Abweichungen, die sich allerdings bei Betrachtung kritischer Parameter nichts desto weniger als signifikant erweisen.  Deutlich wird dies insbesondere bei der Bewertung des Korrosionspotenzials der gezogenen Wasserproben, welches entscheidend vom pH-Wert gesteuert wird.  So steigt der Zink-Abtrag in Rohrleitungen bei Abfall des pH-Wertes um 0,4 Einheiten um mehr als das Doppelte.  Da die Laborwerte des pH durchwegs stark von den vor Ort gemessenen Werten abwichen, ist somit die korrosive Wirkung des Wassers anhand von Laborwerten des pH ohne Messung vor Ort nicht zu beurteilen und würden die Ergebnisse von Selbsttest-Paketen in diesem Analyseparameter zwangsläufig zu falschen Schlussfolgerungen führen.

Schlussfolgernd ist zusammenzufassen, dass aus gegenwärtiger Sicht lediglich Trinkwasseruntersuchungen durch den qualifizierten Trinkwasser-Hygienetechniker in Schadstoffe wie Nitrit, die für eine Beurteilung der Cancerogenität benötigt werden würden. Die beigelegten Erläuterungen der Anbieter zu den einzelnen Parametern können nur Einzelparameter erklären, aber keinen Bezug zwischen Parametern herstellen und daraus Rückschlüsse ableiten, was auch schon durch den fehlenden Bezug zur Anlage (und ihren allfälligen Mängeln) nicht möglich ist. Dem Konsumenten ist zudem nicht zuzumuten, seinen Befund selbst und richtig zu interpretieren, Fehler darin zu erkennen und weiters Handlungsempfehlungen abzuleiten, abgesehen davon, dass der Befund nicht gerichts- und behördenfest ist. Selbsttest-Pakete in ihrem derzeitigen Stand verunsichern daher und sind somit auch für die „ überblicksmäßige Beurteilung“ der Trinkwasserqualität abzulehnen.

Susanne Draxler

Susanne Draxler

Diplomingenieurin für Technische Chemie, selbständige planende und beratende Ingenieurin für Technische Chemie und Technischen Umweltschutz; qualifizierte Trinkwasser-Hygienetechnikerin, qualifizierte Trinkwasser-Probenehmerin, rückbaukundige Person nach Recycling-Baustoffverordnung.